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Verfassungsschutzbericht Schleswig-Holstein: Islamistischer Terrorismus bleibt größte Gefahr

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(CIS-intern) – Der islamistische Terrorismus stellt nach wie vor die größte Bedrohung für die innere Sicherheit dar. „Der Bürgerkrieg in Syrien hat weiterhin auch große Bedeutung für die Sicherheitslage in Deutschland und Schleswig-Holstein“, sagte Innenminister Stefan Studt am Dienstag (28. April) in Kiel bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2014. Vor allem die anhaltenden Reisebewegungen von Jihadisten nach Syrien bildeten einen Schwerpunkt in der Arbeit des Verfassungsschutzes.

Foto: Rainer Sturm  / pixelio.de

Zu elf Personen liegen der Behörde Hinweise vor, wonach diese 2014 aus Schleswig-Holstein in Richtung Syrien ausgereist sind, um sich dort möglicherweise islamistischen Gruppierungen anzuschließen oder entsprechende logistische Hilfe zu leisten. Damit stieg die Gesamtzahl der nach Syrien Ausgereisten in Schleswig-Holstein auf 23. Neun davon kamen wieder zurück, ohne dass eine Beteiligung an Kampfhandlungen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Nach unbestätigten Hinweisen sollen sieben Personen in Syrien ums Leben gekommen sein.

Rückkehrer aus dem syrischen Bürgerkrieg stellen nach Aussage von Studt ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Aus diesem Grund unterlägen die aus den Kampfgebieten Syriens oder des Irak nach Deutschland und Schleswig-Holstein zurückkehrenden Islamisten einer intensiven Überwachung durch die Sicherheitsbehörden. „Wir versuchen aber auch weiterhin, mit allen rechtlichen Mitteln, bereits die Ausreise relevanter Personen zu verhindern“, sagte der Minister.

Prävention und Intervention – Salafismus wirksam bekämpfen
Vor allem Jugendliche müssen nach Überzeugung von Studt dem Zugriff salafistischer Menschenfänger entzogen werden. Die salafistische Ideologie könne Radikalisierungsprozesse befördern, die die Grundlage für die Beteiligung am bewaffneten Kampf bildeten. „Die Landesregierung hat deshalb den Kampf gegen den religiös motivierten Extremismus, vor allem aber gegen verfassungsfeindliche salafistische Bestrebungen, verstärkt“, sagte der Minister. Dabei setze man auf Prävention, Intervention und Netzwerkarbeit. Die Landeskoordinierungs- und Beratungsstelle in der Trägerschaft der Türkischen Gemeinde in Schleswig-Holstein e.V. kümmere sich seit Anfang des Monats vor allem um junge Menschen, die in Gefahr seien, sich religiös zu radikalisieren. Die Stelle habe das Ziel, das Demokratieverständnis bei Kindern und Jugendlichen zu festigen und den Kreislauf von Diskriminierung und Radikalisierung zu durchbrechen.

Studt wies darauf hin, dass nicht alle Salafisten dem gewaltbereiten Spektrum angehörten. Der größere Teil der salafistischen Szene sei dem Bereich des „politischen Salafismus“ zuzurechnen. Dieser sei zwar ebenfalls gegen wesentliche Grundprinzipien der Verfassung ausgerichtet, eine klare Positionierung zur Anwendung von Gewalt sei jedoch in der Regel nicht eindeutig belegbar. Bundesweit gehen die Verfassungsschutzbehörden aktuell von etwa 7.300 Salafisten aus. In Schleswig-Holstein beträgt das Potenzial zurzeit rund 240 Personen, im Jahr 2014 waren es noch etwa 230 Personen.

Reformprozess bei “Milli Görüs“ führt zu Neubewertung
Neben den Salafisten sind in Schleswig-Holstein auch sogenannte legalistische Organisationen und Gruppierungen aktiv. „Diese versuchen ihre verfassungsfeindlichen Ideen mit legalen Mitteln durchzusetzen“, sagte Studt. Dazu gehöre insbesondere die „Milli Görüs“-Bewegung. Zu dieser Bewegung werden auch Teile der „Islamischen Gemeinschaft Milli-Görüs“ (IGMG) gerechnet. In der IGMG hat es nach den Beobachtungen der Verfassungsschutzbehörde jedoch in den vergangenen Jahren einen Reformprozess gegeben. „Deshalb werden nicht mehr sämtliche Mitglieder und Mitgliedsvereine als extremistisch eingestuft“, so der Minister. Das Personenpotenzial dieser Bewegung sei daher in Schleswig-Holstein deutlich von 470 im Jahr 2013 auf nunmehr noch 50 Personen zurückgegangen.

Diese Entwicklung bleibt nicht ohne Einfluss auf das gesamte islamistische Personenpotenzial. Statt von 760 geht die Verfassungsschutzbehörde nun von einem deutlich gesunkenen Potenzial von 360 Personen aus. „Diese Entwicklung darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir im Zusammenhang mit der Bewertung des religiös motivierten Terrorismus nach wie vor von einer hohen abstrakten Gefährdung sprechen müssen“, erklärte Studt. Belege dafür seien insbesondere die jüngsten Anschläge von Paris und Kopenhagen.

Nur wenige politisch motivierte Straftaten im Bereich des Islamismus
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten im Bereich des Islamismus für 2014 blieb auf einem niedrigen Niveau. Insgesamt wurden acht Straftraten (2013: sechs) registriert, darunter ein Verdachtsfall der Ausreise nach Syrien, um am bewaffneten Kampf für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ teilzunehmen. Neu in Schleswig-Holstein waren im Jahr 2014 Fälle von antisemitischer Volksverhetzung im Internet vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas.

Rechtsextremismus stagniert auf mittlerem Niveau
Die rechtsextremistische Szene in Schleswig-Holstein ist laut Verfassungsschutzbericht gekennzeichnet durch einen anhaltenden Mitgliederschwund, Rückgang bei den Straftaten, kaum noch Aktionen in der Öffentlichkeit, organisatorische Probleme und fehlende Führungspersonen. „Das große zivilgesellschaftliche Engagement in unserem Land und der anhaltend starke Verfolgungsdruck der Sicherheitsbehörden zeigen Wirkung“, sagte Studt. Versuche schleswig-holsteinischer Rechtsextremisten, eine PEGIDA für Schleswig-Holstein zu etablieren, seien fehlgeschlagen.

Auch der aktionistische Rechtsextremismus mit neonazistischer Prägung stoße mit seinen NS-bezogenen Thesen bei der jüngeren Bevölkerung nur noch vereinzelt auf Resonanz. „Das ist eine insgesamt ermutigende Entwicklung, die uns aber nicht dazu verleiten darf, im Kampf aller Demokraten gegen den Rechtsextremismus nachzulassen“, sagte Studt. Ein besonderes Augenmerk müsse man weiterhin auf Internet-Seiten der Rechtsextremisten werfen, wo sie weitestgehend unverschleiert neonazistisch aufträten.

Rechtspopulismus aufmerksam verfolgen
Der Minister warnte vor einem Rechtspopulismus, der auf die Mitte der Gesellschaft abziele und mit teils subtilen Methoden arbeite. „Rechtsextremisten bringen ihre politischen Ziele heute verstärkt im Schatten teils realer und meist wirtschaftlich empfundener Bedrohungen unters Volk“, sagte der Minister. Ansatzpunkte für diese Agitation seien im Wesentlichen die Sorge vor Folgen der Globalisierung für eigene Besitzstände, die Furcht vor einer massenhaften Armutszuwanderung oder diffuse Ängste vor einer vermeintlichen Islamisierung.

Im Gegensatz zu plumper rechtsextremistischer Propaganda schürten so genannte moderne Rechtsextremisten hauptsächlich die abstruse Angst, Deutsche könnten bald zur Minderheit im eigenen Land werden. „Wir müssen diese rechtspopulistischen Strömungen sehr aufmerksam verfolgen und verhindern, dass Rechtsextremisten davon profitieren“, sagte Studt. Denn auch in Schleswig-Holstein machten Rechtsextremisten Islam- und Ausländerfeindlichkeit noch mehr als in der Vergangenheit zum Agitationsschwerpunkt.

Weniger politisch motovierte Kriminalität rechts
Die Zahl politisch motivierter Straftaten im Bereich Kriminalität rechts ging gegenüber dem Vorjahr zurück. 2014 registrierten die Sicherheitsbehörden 439 Delikte, 106 weniger als im Vorjahr. Darunter waren 21 Gewalttaten, fünf weniger als 2013. Bei den Gewalttaten handelte es sich überwiegend um Körperverletzungsdelikte. Der südliche Landesteil Schleswig-Holstein ist der Schwerpunkt rechtsextremistischer Bestrebungen. Das zeigt auch die Straftatenstatistik. Erkennbar ist das insbesondere an den hohen Fallzahlen in Lübeck (63 Straftaten) und den Kreisen Pinneberg (57 Straftaten) und Herzogtum Lauenburg (47).

Rückläufige Mitgliederentwicklung im Rechtsextremismus
Die rechtsextremistischen Organisationen und Gruppierungen haben im vergangenen Jahr weiter an Mitgliedern verloren. 1.070 Personen, 130 weniger, zählte der Verfassungsschutz in 2014. Davon gelten 550 als gewaltorientiert, 50 weniger als 2013. Die Mitgliederzahl der NPD mit ihrer Jugendorganisation ging von 190 in 2013 auf 130 im letzten Jahr zurück.

Kein Grund zur Entwarnung
„Die Zahlen im Bereich der Straftaten und der Mitgliederentwicklung lassen keine Entwarnung zu“, sagte Studt. Die Spannungen zwischen Rechtsextremisten und politischen Gegnern könnten jederzeit zu Gewalttaten oder Racheakten führen, und insbesondere mit der rechtsextremistischen Stimmungsmache im Zusammenhang mit PEGIDA Einzeltäter zu gezielten Gewalttaten motivieren. Angriffsziele der Rechtsextremisten dürften nicht nur Ausländer, sondern aufgrund seiner Verantwortung für die Ausländerpolitik auch der Staat und seine Repräsentanten sein.

Linksextremismus öffentlich kaum bemerkbar
Die linksextremistische Szene trat nach Beobachtungen des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein im letzten Jahr öffentlich kaum in Erscheinung. Außer den klassischen Aktionsfeldern „Anti-Faschismus“ und “Antirassismus” fand die Szene kaum thematische Schwerpunkte. „Viele politische Forderungen der Linksextremisten wurden Teil der gesellschaftlichen Veränderung“, sagte Studt. Beispielsweise gehörten die Ächtung rechtsextremer Bestrebungen und der Ausstieg aus der Atomkraft inzwischen zum allgemeinen politischen Konsens. Darüber hinaus mangelte es an Themen, die gemeinsame Aktivitäten der verschiedenen Gruppierungen begünstigt hätten.

Schleswig-Holsteins Linksextremisten sind bundesweit aktiv
Wie Studt weiter berichtete, haben sich Linksextremisten aus Schleswig-Holstein überwiegend an Veranstaltungen außerhalb des Landes beteiligt, etwa an Demonstrationen in Hamburg im Zusammenhang mit der Roten Flora, den Esso-Häusern, der Einrichtung von Gefahrengebieten und der so genannten Revolutionären 1. Mai Demo. Zu gewalttätigen Aktionen kam es im zeitlichen Umfeld mit diesen Veranstaltungen in Schleswig-Holstein nicht.

Linksextremisten bleiben latentes Sicherheitsrisiko
Studt sieht im Linksextremismus weiterhin eine latente Gefahr. „Die Sicherheitsbehörden müssen die Szene wegen der in weiten Teilen vorhandenen gewaltbefürwortenden Grundhaltung sorgfältig beobachten“, sagte Studt. Die Erfahrung habe gezeigt, dass bei linksextremistischen Aktionen jederzeit mit Gewalt gerechnet werden müsse. Erkenntnisse zu terroristischen Strukturen im Bereich des Linksextremismus liegen nach Auskunft des Innenministers jedoch nicht vor.

Mitgliederentwicklung stagniert, Straftaten rückläufig
Die fehlenden Themen und konkrete Anlässe sind nach Überzeugung von Studt ein wesentlicher Grund, warum die in Schleswig-Holstein bekannt gewordenen politisch motivierte Kriminalität links von 235 Straftaten im Vorjahr auf 178 in 2014 zurückgegangen ist. Darunter waren sechs Gewalttaten, 16 weniger als im Jahr 2013. Mit rund 680 Personen im vergangenen Jahr stagniert die Mitgliederentwicklung der linksextremistischen Szene (2013: 690 Mitglieder). Unverändert ist die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten, sie liegt unverändert bei rund 300 Personen.

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