(CIS-intern) – So langsam fragt man sich, was Atomkraft mit Hochtechnologie zu tun haben soll! Im AKW Brunsbüttel wurden erneut defekte Fässer gefunden. Wir fragen uns, gibt es dort überhaupt Fässer, die keine Schäden haben? Und sonst alles okay im AKW? Für so einen fahrlässigen Umgang mit diesem gefährlichen Material sollten Verantwortliche eigentlich hinter Gittern kommen. Nun aber zur offiziellen Pressemeldung:
Bei der Inspektion der Kavernen im Kernkraftwerk Brunsbüttel sind weitere Fässer mit schweren Korrosionsschäden entdeckt worden. Wie die Atomaufsicht heute (8. Dezember 2014) mitteilte, steigt die Gesamtzahl der schwer beschädigten Fässer von 136 auf 154 von insgesamt 573 bislang inspizierten Fässern. Die Untersuchung der zuletzt geöffneten Kaverne VI musste der Betreiber des Kernkraftwerks, Vattenfall, allerdings unterbrechen, weil ein Teil der Fässer nicht zugänglich ist. Diese lassen sich erst im Zuge der Bergung der Fässer begutachten. Ursprünglich war geplant, die Kaverne erst vollständig zu inspizieren und dann zu räumen. Die Kaverne VI war zuletzt vor 32 Jahren geöffnet worden.
Foto: A. Fehmel / pixelio.de
„Es ist unfassbar, dass man den Atommüll in den Kavernen so lange sich selbst überlassen hat. Die systematische Inspektion war überfällig. Fast ein Jahr lang wurden die unterirdischen Kavernen nun untersucht, und immer wieder sind dadurch neue, erschreckende Erkenntnisse zu Tage gefördert worden. Und noch immer gibt es eine Reihe von Unklarheiten. Das ist unbefriedigend“, sagte Energiewendeminister Robert Habeck. Wichtig sei es jetzt, die Bergung voranzutreiben. „Die Fässer müssen raus, damit wir das unerfreuliche Kapitel der Kavernen abschließen können.“
Inspektion der Kaverne VI:
Die insgesamt sechs Kavernen waren im Laufe dieses Jahres mit einer Spezialkamera untersucht worden, um den Zustand der Fässer mit schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen aus dem Kernkraftwerksbetrieb zu erfassen. Als letzte Kaverne war die Kaverne VI am 10. November geöffnet worden. Schon vor Beginn der Untersuchung war absehbar, dass hier besondere logistische Schwierigkeiten auftreten könnten. In der Kaverne lagern neben aktivierten ehemaligen Einbauten des Reaktorkerns (Wasserabscheider, Speisewasserverteiler) 221 Fässer mit Verdampfer- und Filterkonzentraten. Ein Teil der Fässer befindet sich in übereinander stehenden Stahlmulden (nach oben hin offenen Containern). Wie sich im Zuge der Inspektion zeigte, macht dies die Kamerauntersuchung der unteren Fässer unmöglich. Zunächst müssen die Fässer aus den oberen Mulden geborgen und dann die Mulden selbst entfernt werden.
Wegen dieser Schwierigkeiten wurden in Kaverne VI bislang nur 164 Fässer inspiziert, von denen 18 schwere Korrosionserscheinungen aufweisen. Zudem ist nicht klar, wie viele Fässer sich tatsächlich in der Kaverne befinden. Während der Inspektion wurde deutlich, dass zusätzlich zu den verzeichneten 221 Fässern mit Verdampfer- und Filterkonzentraten weitere Fässer enthalten sind, die nach Angaben der Betreibergesellschaft Material aus Umbaumaßnahmen enthalten. Der genaue Inhalt und die Zahl der Fässer können von der Atomaufsicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verifiziert werden, weil der untere Kavernenbereich wegen der Mulden unzugänglich ist.
Die Betreibergesellschaft muss nun das Inspektions- und Bergekonzept um ein Verfahren zur Bergung der Mulden und der darin befindlichen Fässer ergänzen. Im Rahmen der anstehenden Bergung soll die Untersuchung der Fässer fortgeführt werden. Erst dann wird ein vollständiges Schadensbild vorliegen. Die Kaverne VI wurde inzwischen wieder geschlossen und wird erst mit Beginn der Bergung wieder geöffnet.
Sachverständige und Atomaufsicht prüfen Bergungskonzept
Für die Bergung der beschädigten Fässer hat die Betreibergesellschaft ein spezielles Konzept entwickelt. Dieses wird derzeit in Abstimmung mit den Sachverständigen aktualisiert und dann von der Atomaufsicht geprüft. Zunächst sollen die Fässer aus den Kavernen I bis IV geborgen und endlagergerecht verpackt werden, so dass sie danach in den Zwischenlagerhallen für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle gelagert werden können. Je nach Schadenskategorie werden unterschiedliche Greifwerkzeuge zum Einsatz kommen müssen. Die Fässer mit den schwersten Beschädigungen sollen zuletzt geborgen und neu konditioniert werden.
Das Bergungskonzept sieht vor, dass für die Bergung besondere Strahlenschutzvorrichtungen errichtet (lüftungstechnische Einhausungen) werden, so dass Freisetzungen zuverlässig vermieden werden und das Bedienungspersonal vor der Radioaktivität geschützt ist.
Mol-Fässer werde aus Kaverne V herausgeholt und analysiert
Vor Beginn der eigentlichen Bergung werden in den kommenden Tagen schon die sogenannten Mol-Fässer aus der Kaverne V entnommen, damit ihre genauen Inhaltsstoffe im Institut für Radiochemie der Universität München analysiert werden können. Die 21 stählernen Rollreifenfässer enthalten getrocknete Schlämme aus der belgischen kerntechnischen Anlage Mol. Die genauen Inhaltsstoffe sind nicht bekannt (siehe Hintergrund). Damit die Fässer aber endlagergerecht verpackt und so zu einem späteren Zeitpunkt in dem Endlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle, Schacht Konrad in Niedersachsen, eingelagert werden können, muss der Inhalt untersucht werden. Das geschieht von Januar bis März in München; den Transport der Fässer dorthin plant der Betreiber noch in diesem Jahr. Die Mol-Fässer sind, anders als die anderen Fässer, von innen betoniert. Sie weisen nur geringfügige Korrosionserscheinungen auf und können daher mit herkömmlichen Greifwerkzeugen geborgen werden.
Für die Entnahme der Mol-Fässer aus der Kaverne hat die Atomaufsicht eine Genehmigung nach Strahlenschutzverordnung erteilt. Der Transport wird durch einen Spediteur vorgenommen, der über eine Genehmigung für Radioaktivtransporte verfügt. Diese Genehmigung wird jeweils durch die Landesbehörde erteilt, in der der Spediteur seinen Sitz hat.
Hintergrund zu den „Mol-Fässern“:
Abfälle aus deutschen Kernkraftwerken sollten vor gut 30 Jahren im belgischen Mol endlagergerecht verpackt (konditioniert) werden. Diese Fässer enthielten nach der Konditionierung auch Rückstände unter anderem aus belgischen Kernkraftwerken, was vertragswidrig war. Sie wurden anschließend falsch deklariert; dies wurde bekannt und entwickelte sich damals zu einem Skandal. Die Bundesregierung entschied daraufhin, dass die Abfälle bei jenen deutschen Kernkraftwerksbetreibern eingelagert werden sollten, die Abfälle nach Mol hatten liefern lassen. Dazu gehörte auch Brunsbüttel. Mehrere staatliche Stellen ließen bundesweit einen Teil der Fässer und der Abfälle exemplarisch untersuchen. Nach diesen Untersuchungen ergab sich, dass von den radioaktiven Abfällen keine Gesundheitsgefahren ausgingen. Außerdem wurde festgestellt, dass die Radioaktivität der Fässer mit sehr großem Abstand unterhalb der Grenze lag, die für radioaktive Abfälle gilt, die in die Endlagerstätte Konrad verbracht werden dürfen.
Hintergrund zur Lagerung von Fässern in den Kavernen:
In sechs unterirdischen Lagerstätten lagern 630 Stahlfässer mit schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen (Filterharze, Verdampferkonzentrate und Mischabfälle) aus dem Leistungsbetrieb des Reaktors. Die Kavernen sind durch 110 Zentimeter dicke Betonriegel von oben her und durch Betonwände umgeben. Dadurch wird die Umwelt vor Strahlung geschützt.
Die Abfälle sind auf die Endlagerung im niedersächsischen „Schacht Konrad“ vorzubereiten, u.a. durch Verpackung aller Abfälle in bauartgeprüfte, speziell zugelassene Behälter. Das Endlager Konrad wird voraussichtlich Anfang des kommenden Jahrzehnts zur Verfügung stehen. Bis dahin sollen die Fässer am Standort Brunsbüttel gelagert werden, zunächst in den bereits bestehenden Transportbereitstellungshallen, dann in einem neu zu errichtenden Zwischenlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle, das im Zuge des beantragten Rückbaus des Kernkraftwerks entstehen soll.
Die Kavernen sind nur von oben zugänglich. Die Öffnung der Betonriegel und die Arbeiten an den geöffneten Kavernen sind im Hinblick auf den Schutz des Bedienungspersonals und der Bevölkerung unbedenklich.
Die Einhaltung der Strahlenschutzvorschriften (wie Betonabschirmungen, Fernbedienung, vorsorglicher Atemschutz) werden von der Reaktorsicherheitsbehörde mit Unterstützung durch Sachverständige des TÜV NORD überwacht.
Die Atomaufsicht hat außerdem eine Arbeitsgruppe eingerichtet, an der u.a. auch die externen Sachverständigen Sailer (Vorsitzender der Entsorgungskommission des Bundes, Öko-Institut) und Dr. Drotleff (Mitglied der Entsorgungskommission, TÜV Hannover) beteiligt sind. Diese Arbeitsgruppe soll eine umfassende Analyse der Lagerungspraxis der vergangenen knapp 40 Jahre durchführen. Anschließend wird die Atomaufsicht über die Schlussfolgerungen für den weiteren Umgang mit radioaktivem Abfall entscheiden.
PM: Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume
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